Wissen ist die Wurzel jeder spirituellen Aktivität
Saṃvara [Teil 277]
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Du kannst dein Leben nicht verlängern,[1] sei deshalb nicht leichtsinnig; dir ist nicht mehr zu helfen, wenn das Alter naht. Überlege: Welchen (Schutz) erhalten leichtsinnige Menschen, die Lebewesen töten und sich nicht anstrengen? (1)
Menschen, die falschen Prinzipien folgen und durch böse Taten Reichtum erlangen, werden ihn verlieren, indem sie in die Fallen (ihrer Leidenschaften) geraten und von ihrem Hass gefangen gehalten werden. (2)
Wie der Einbrecher,[2] der in der Mauer gefangen ist, durch die Tat umkommt, die der Sünder selbst verrichtet hat, so können die Menschen in diesem und im nächsten Leben den Auswirkungen ihrer eigenen Taten nicht entgehen. (3)
Wenn ein Mensch, der im saṃsāra[3] lebt, eine Tat zum Wohle eines anderen tut oder eine Tat, von der er selbst auch profitiert, dann werden seine Verwandten zum Zeitpunkt der Ernte der Früchte seiner Taten nicht wie wahre Verwandte handeln (d. h. ihm nicht zu Hilfe kommen). (4)
Reichtum wird einen leichtsinnigen Menschen in dieser und der nächsten Welt nicht schützen. Obwohl er den richtigen Weg gesehen hätte, sieht er ihn nicht, so wie jemand im Dunkeln, dessen Lampe plötzlich ausgelöscht wurde. (5)
Auch wenn andere schlafen, sei wach! Vertraue niemandem wie ein weiser Mann, sondern sei immer auf der Hut; denn die Zeit ist gefährlich und der Körper schwach. Sei immer wachsam wie ein Bhāruṇḍa-Vogel![4] (6)
Ein Mönch sollte auf seinem Weg (d. h. in seinem Leben) vorsichtig sein und annehmen, dass alles eine Falle für ihn ist. Zuerst muss er auf sein Leben achten, bis er den Einsatz (nämlich Erleuchtung)[5] gewinnt, und danach sollte er es verachten und seine Sünden vernichten. (7)
Indem er seinen Willen besiegt, erreicht (ein Mönch) Befreiung, wie ein gut gezähmtes Pferd, das ins Geschirr gekleidet ist (in die Schlacht zieht). Sei in deinen jungen Jahren wachsam; denn dadurch erlangt ein Mönch schnell Befreiung. (8)
,Wenn er (den Sieg über seinen Willen) nicht früh erringt, wird er ihn später erringen‘; eine solche Argumentation[6] setzt die Ewigkeit des menschlichen Lebens voraus. Aber ein solcher Mensch verzweifelt, wenn sein Leben sich dem Ende zuneigt und die Auflösung seines Körpers naht. (9)
Man kann nicht schnell zur Einsicht gelangen; deshalb sollte man sich anstrengen, sich der Vergnügungen enthalten, die Welt verstehen, unparteiisch wie ein Weiser sein und auf sich selbst aufpassen: (somit) sei niemals nachlässig. (10)
Ein Śramaṇa, der immer wieder die Auswirkungen der Täuschung unterdrückt und sich beherrscht, wird von äußeren Dingen auf raue Weise beeinflusst; aber ein Mönch sollte sie in seinem Geist nicht hassen. (11)
Äußere Dinge schwächen den Intellekt und verführen viele; deshalb halte sie aus deinem Geist fern. Halte dich von Täuschung fern, entferne Stolz, übe keine Täuschung aus, lass von Gier ab. (12)
Ketzer, die unrein und eitel sind, sind immer der Liebe und dem Hass unterworfen und stehen ganz unter dem Einfluss (ihrer Leidenschaften). Verachtet sie als unheilige Menschen und strebt bis ans Ende eures Lebens nach Tugenden. (13)
So sage ich.[7]
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[1] Ein ähnlicher Ausdruck wird in Sūtrakṛtāṅga I, 2, 2, 21 verwendet:
„Obwohl das Leben nicht verlängert werden kann, wie das Sprichwort sagt, sündigen törichte Menschen dennoch rücksichtslos; ein törichter Mensch ist (gleichsam) bis zum Rand mit Sünden gefüllt. Ein Weiser, der dies bedenkt, ist nicht eingebildet.“
Und wiederum Sūtrakṛtāṅga I, 2, 3, 10 (mit den nachfolgenden Versen 11-12):
„Obwohl das Leben nicht verlängert werden kann, wie das Sprichwort sagt, sündigen törichte Menschen dennoch leichtsinnig (indem sie denken): 'Wir sind nur mit der gegenwärtigen Zeit beschäftigt; wer hat das Jenseits gesehen und ist von dort zurückgekehrt?'“
Glaubt an die Worte dessen, der (alles - d.h. auch das Jenseits usw.) sieht, ihr, die ihr gleichsam blind seid, ihr, deren Sicht geblendet ist, ach, deren Sicht durch eure Werke, die zur Verblendung führen, verstellt ist! (11)
Die Unglücklichen leiden immer wieder unter Verblendung; deshalb ist es mit Lob und Ehren vorbei! Ein weiser Asket sollte bedenken, dass die Lebewesen wie er selbst sind (was die Liebe zum Leben, die Abneigung gegen Schmerzen usw. betrifft). (12)
[2] Dēvēndra erzählt zwei Geschichten von Einbrechern, von denen eine im Text angedeutet werden soll. Sie lautet wie folgt. Ein Einbrecher wird in dem Loch, das er gegraben hat, vom Hausbesitzer ertappt, der ihn an den Füßen festhält, die aus dem Loch ragen. Doch der Begleiter des Einbrechers versucht, ihn auf der anderen Seite der Mauer herauszuziehen. In dieser Position wird er vom oberen Teil der herabfallenden Wand zerschmettert.
[3] Fachbegriff:
Sanskṛit: saṃsāra = Kreislauf von Geburten und Tod, für Einzelheiten s. Saṃvara [Teil 257] Vers 313 mit Anmerkungen.
[4] Jeder dieser Vögel hat zwei Hälse und drei Beine.
[5] Sanskṛit: bodhi = perfektes Wissen oder Weisheit durch welches ein Mensch Jina (Buddha bei Buddhisten) wird. Ein Jina (Sieger) ist jener, der die sechs inneren Feinde besiegt hat. Antaraṅgāri (die sechs inneren Feinde): rāga (Verliebtheit, Begierde, Lust, Wollust) - die vier kaṣāyas: krodha (Zorn), māna (Einbildung), māyā (Betrug), lobha (Gier) - dveṣa (Hass/Neid/Eifersucht); für weitere Einzelheiten s. Saṃvara [Teil 236], mit Anmerkungen.
[6] Upamā. Wörtlich übersetzt: 'dies ist der Vergleich derer, die behaupten, dass das Leben ewig ist'. Der Kommentator gibt eine erzwungene Interpretation des ersten Teils des Verses, um einen Vergleich herbeizuführen. Aber die Bedeutung "Vergleich" passt nicht in den Kontext, das Wort muss hier bedeuten: Schlussfolgerung, Argumentation.
[7] Quelle: Uttarādhyayana Sūtra, Sacred Books of the East Vol. 45, ed. 1895, Hermann Jacobi's Übersetzung, Vorlesung 3. Deutsch Übersetzung AΩ