PARIŚIṢṬAPARVAN
STHAVIRAVALĪ Auszüge aus Hēmachandrācāryas PARIŚIṢṬAPARVAN [246 von 285]
(← … https://www.om-arham.org/blog/view/9381/parisi%E1%B9%A3%E1%B9%ADaparvan)
Anhang I [30 von 67]
VI, 22. Pāṭaliputra [1] Fussnote https://www.om-arham.org/blog/view/9274/parisi%E1%B9%A3%E1%B9%ADaparvan.
Leumann verweist auf Āvaśyaka Niryukli XVII, 11, 27; Tawney auf andere Sagen von der Gründung Pāṭaliputras, Kathāsaritsāgara I, 15 f. (Text III, 27 ff.) und Pilgrimage of Fabian (Calcutta 1848), S. 257 ff. — Bei Kṣēmēndra, Bṛhatkathāmañjarī steht die entsprechende
Stelle I, 38 ff. Diese Fassung lautet:
- Einst wanderten drei Brahmanenbrüder zu einer Zeit, die mit Regenmangel geschlagen war, ihre drei Frauen verlassend, nach einem anderen Lande aus.
- Eine von den drei Frauen, welche schwanger war, gebar zu ihrer Zeit einen Sohn, an dessen Kopf durch eine Gnade [Śivas,] des Gemahls der Gauri beständig Gold
- gefunden wurde. Infolge des täglich erlangten Tausende [von Goldstücken] wurde mit der Zeit [der Sohn,] welcher Putraka hiess, König und war bei den Menschen beliebt.
- Da er nun seine Freude an der Verehrung Śivas hatte, freigebig war und sein wahrer Charakter bekannt geworden war, kamen jene drei Brahmanen, nachdem sie in die fernsten Länder umhergewandert waren, zurück,
- um zu betteln. König Putraka erfuhr durch seine Mutter, dass einer von ihnen sein Vater, die anderen beiden seine Onkel waren; er freute sich darüber und
- bewies ihnen beständig seine Verehrung. Aber da sie nun in bequemen Häusern herrlich und in Freuden lebten, wurden sie übermütig; denn wen sollte nicht plötzlich erlangter Wohlstand wie Alkohol berauschen?
- So dachten sie denn: „Wir wollen heimlich diesen Putra[1] töten, das Reich an uns reissen und [als Könige]
- leben." Mit diesem Vorsatz führten sie ihren königlichen Sohn heimlich davon, indem sie als Zweck der Reise die Verehrung der Göttin [Durgrā] angaben, welche auf dem Vindhya wohnt, und wiesen kräftige Krieger an, ihn zu ermorden.
- Putraka aber merkte ihre Absiebt, und weil es ihm widerstrebte, sich an Personen zu rächen, denen er Achtung schuldete, verliess er sein Reich und wanderte allein in den Wald, der den Vindhya bedeckt.
- Und als Putraka sein Reich verlassen hatte, bemächtigten sich diese Brahmanen der Herrschaft; da sie aber Feiglinge waren, so ward sie ihnen durch mächtigere Feinde wieder entrissen.
- Putraka aber, ein Ozean des Mutes, drang in den Vindhya-Wald ein und kam an eine Gebirgsschlucht, die [sonst] kein sterblicher Fuss zu betreten vermochte.
- Dort traf er zwei Asura-Brüder,[2] die sich um ihr väterliches Gut [= Erbe] stritten. Er sagte zu ihnen: „Wer von euch den andern im Wettlauf besiegt, der
- soll Herr über das väterliche Gut sein." Da liefen die beiden, so schnell sie konnten, und er kam auf diese Weise in den Besitz der beiden Sandalen, des Stabes und des Gefässes [, aus denen das Erbe bestand].
- Diese Gegenstände gewährten alle Wünsche: der Stab brachte alles hervor [, was man begehrte], die beiden Sandalen befähigten [den, der sie anhatte.] durch die
- Luft zu gehen, das Gefäss verschaffte alle Lebensmittel. Mit ihnen begab er sich nach der Stadt Sākañjika[3] und wohnte dort verborgen im Hause einer Alten[4], deren Dienste er kluger Weiser stets mit Gold belohnte.
- Dort hörte er nun, dass König Mahēndravarman eine Tochter Pāṭalā hatte, die ihrer Schönheit wegen
- berühmt war und rote Lippen besass. Da band er seine Sandalen an, stieg, als es Nacht geworden, in die Luft empor, trat in ihr Gemach, welches sich hoch in der
- Luft befand, und erblickte sie. Sie schlief auf einem schneeweissen Lager, dessen Decke ihre eigene Anmut bildete, so dass sie dem Luftwandler wie die Göttin
- des Mondes erschien. Wie ein Fluss der entfalteten Liebe, dessen Wasser ihre Lieblichkeit bildete, wie ein Zauberkraut, das die Herzen anzieht und welches
- die Bewohner der Lüfte niedergelegt hatten, wie eine Ranke der Lust, die im Garten der Jugend emporgewachsen war, wie eine juwelenglitzernde, von schwanken[5] Mādhavī-Lianen umrankte Laube erschien
- sie ihm. Da stand er plötzlich [unbeweglich], als wäre er auf einem Bilde gemalt gewesen, und überlegte: „Soll ich sie, die in wohltuendem Schlummer ruht,
- sogleich wecken?" Und während er noch schwankte, sagte draussen zufällig ein Nachtwächter von selbst zu einem anderen Nachtwächter im Gespräch:[6]
- „Wenn ein Mann, welcher ein mondgesichtiges Mädchen erlangt hat, bei dem der als Ohrschmuck dienende Lotus von dem Glanze der beweglichen Augen bestrahlt wird, auf die der Schlaf sein Siegel gedrückt hat, welches, abweisend lispelnd, das Augenblinzeln halb unterdrückt und in lieblicher Weise wieder und wieder gähnt, dieses [Mädchen] nicht plötzlich von selbst umhalst: ist dieser Mann nicht wahrscheinlich von dem vom Unheil versengten Schöpfer als steinerne Statue (oder: als steinerner Putraka)[7] geschaffen?"
- Als Putraka das gehört hatte, ward er froh und rief verwundert: „Ei, da hat ein kluger Mann etwas
- Gutes gesagt, als meinte er mich damit." Nach diesen Worten umhalste er liebeglühend Pāṭalā, welche mit ihren in Svastika-Form[8] gekreuzten Händen ihre seit kurzem aufwallenden Brüste wie mit einem Mieder be-
- deckt hatte. Und als er über sie herfiel, wie ein Elefant über eine Lotusgruppe, da gerieten die blauen Lotusse ihrer vor Furcht umherschwankenden Augen in Verwirrung, und sie senkte den Lotus ihres Antlitzes.
- Und wie die Nacht im Sternenglanze der schillernden Perlen ihres Halsbandes ward sie plötzlich erfüllt von Liebe, Staunen, Furcht und Verwirrung.
- und so erblühte sie Nacht für Nacht freiwillig durch den Frühling, der ihr in ihrem Geliebten erschien, und der vorüberging mit der durch den Einbruch der Nacht (bedingten) Liebe.[9]
- Mit der Zeit aber entdeckte der König den heimlichen Liebhaber; da nahm dieser Pāṭalā und entführte
- sie durch die Luft nach dem Ufer der Gaṅgā. Dort wohnte Putraka herrlich und in Freuden, von ihr gepflegt, und durch Zeichnungen mit seinem Zauberstab erschuf er eine aus goldenen Häusern bestehende Stadt.
- Diese Stadt aber, die König Putraka gebaut hatte, nannte er nach dem Worte (oder : auf das Geheiss der) Pāṭalā[10] Pāṭaliputra , und sie ist eine Stätte der Wissenschaften.[11]
[weiter … → … https://www.om-arham.org/blog/view/9389/parisi%E1%B9%A3%E1%B9%ADaparvan]
[1] = Putraka, zugleich „Sohn".
[2] Dämonen.
[3] andere Lesart: Āyajṅika
[4] lies vṛddhāgṛhe.
[5] lies °kapiśālola°.
[6] Die folgende Strophe ist bei Kṣēmēndra wie bei Sōmadēva in anderem Metrum geschrieben, als der umgebende Text. Bei Sōmadēva IIII, 63 (Tawney I, 15,21) ist nur von einem Nachtwächter die Rede, der die Strophe singt. Das ist jedenfalls das Ursprüngliche. Das Wortspiel, welches in der Fassung Kṣēmēndras vorliegt und von dem Wächter unbeabsichtigt den Namen Putraka enthält, macht es wahrscheinlich, daß in diesem Punkte Kṣēmēndras Übersetzung treuer ist.
[7] Wortspiel. Śilā-putraka bedeutet beides.
[8] Oben II, 137.
[9] Man verbinde syāmāsaṃga°.
[10] Lies pāṭalāvacasā.
[11] Weil sie nämlich durch Zauber („Wissen", oben II, 646) entstanden ist.