PARIŚIṢṬAPARVAN
STHAVIRAVALĪ Auszüge aus Hēmachandrācāryas PARIŚIṢṬAPARVAN [186 von 284]
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Canakya [8 von 31]
Cāṇakya entledigt sich zweier Verfolger [1 von 1]
Von den Reitern aber war einer auf seinem geschwinden Rosse an den nicht allzufemen Ort gekommen, an dem Candragupta ging. Cāṇakya sah ihn schon von weitem nahen, und geistesgegenwärtig, wie er war, gab er Candragupta die Weisung: „Folge meinem Worte und gebärde dich in dem Wasser dieses mit Lotusgruppen geschmückten Teiches wie eine spielende Ente und tauche unter und auf."[1] Und der verständige Candragupta tauchte sogleich dort unter, obwohl das Wasser seicht war; es war, als ob er den Zauber verstanden hätte, das Wasser von sich abzuhalten.[2] Cāṇakya selbst aber saß indessen völlig regungslos am Ufer des Teiches, gleichgültig wie ein Yogin,[3] und tat, als wäre er in tiefe Meditation versunken. Da nahte auch schon Nandas Reiter auf windschnellem Rosse, dessen Hufschlag auf der Erde erdröhnte, wie das Aufschlagen des Schlägels auf einer Trommel. Der Reiter fragte Cāṇakya: „Ehrwürdiger Vater, sprich schnell, hast du heute einen Mann gesehen, der im ersten Jugendalter stand?" Caṇins Sohn aber tat, als scheue er sich, seine Meditation zu unterbrechen und zeigte brummend mit dem Finger nach dem Wasser. Sogleich schickte sich der Reiter an, sich seines Anzugs zu entledigen wie eine Tänzerin ihres Rockes, um dann in den Teich zu springen und Candragupta herauszuholen. Da ergriff Caṇins Sohn das Schwert desselben und hieb ihm den Kopf ab, als wollte er damit der Wassergöttin ein Opfer bringen; dann rief er: „Söhnchen, Söhnchen, komm zu mir!" und sogleich entstieg Candragupta dem Teich wie einst der Mond dem Meer.[4] Cāṇakya hob ihn aufs Pferd und fragte ihn: „Was hast du gedacht, als ich dich dem Reiter verriet?" Candragupta sprach: „Edler Herr, ich dachte: "Sicher ist es so am besten; mein edler Herr versteht das besser, als ich»." Da dachte Cāṇakya: „Der wird mir stets gehorsam bleiben und meinen Befehlen folgen, wie ein wohldressierter Elefant seinem Lenker."
Während sie nun ihren Weg fortsetzten, kam auf windschnellem Rosse ein zweiter Reiter Nandas hinter ihnen drein, gewaltig wie ein Bote Yāmas.[5] Als Cāṇakya diesen heranjagen sah — wieder war es in der Nähe eines Teiches — stieg Candragupta auf Cāṇakyas Befehl abermals schnell ins Wasser wie ein Schwan. Am Ufer des Teiches aber saß ein Wäscher. Zu diesem sprach Caṇins Sohn: "Der König ist erzürnt auf deine Zunft; mach dich davon, wenn dir dein Leben lieb ist!" Und da der Wäscher von weitem den Reiter sah, wie er sein Schwert erhoben hatte, glaubte er, was der andere gesprochen, und froh des geretteten Lebens ließ er die Mäntel im Stich, die er zu waschen gedachte, obgleich er die Kleider zu waschen begonnen; und Cāṇakya machte sich an seiner Stelle daran, die Gewänder zu reinigen. Den Reiter aber, der herankam und ihn fragte, wie der erste, tötete Caṇins Sohn in derselben Weise; denn sein Verstand war scharf wie die Spitze des Kuśa-Grases.[6]
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[1] Gemeint ist offenbar die Tauchente (Fuligula), die bekanntlich beim Tauchen ziemlich lang unter Wasser bleibt, und von der auch eine indische Art (Fuligula rufina) "Kolbenente" bekannt ist. Cāṇakya meint also mit seiner Weisung: "Halte dich möglichst lang unter Wasser und tauche nur auf, wenn du Luft schöpfen mußt."
[2] d.h. vom Wasser unberührt zu bleiben, etwa wie die durchs Rote Meer ziehenden Juden.
[3] Ein Büßer, der durch Askese übernatürliche Kräfte zu erlangen sucht.
[4] Der Mond (Candra; Wortspiel mit Candragupta) ist nach indischem Glauben von den Göttern aus dem Meer gebuttert.
[5] des Todesgottes.
[6] Bei der Tötung zweier Verfolger kam es der Quelle, der Hemacandra folgt, offenbar darauf an, seine beiden Helden beritten zu machen. Daher die etwas variierte Wiederholung der List.