PARIŚIṢṬAPARVAN

    Alexander Zeugin

    STHAVIRAVALĪ Auszüge aus Hēmachandrācāryas PARIŚIṢṬAPARVAN [xiv von xxxix]

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    Einleitung [8 von 33]

     

    2. Hēmacandras Pariśiṣṭaparvan [1 von 5]

    Hēmacandra ist einer der grössten indischen Gelehrten, dessen sprachwissenschaftliche Werke ihm für alle Zeiten einen hervorragenden Platz in der Geschichte der indischen Philologie sichern. Für die Jaina - Kirche ist sein bereits genanntes grosses Werk, das Triṣaṣṭi-śalākā-puruṣa-carita[1] und der Anhang dazu, das Pariśiṣṭaparvan,[2] von Bedeutung. Letzteres behandelt das Leben der jinistischen Patriarchen (sthavira, wörtlich „Alten"), bildet also, wie Jacobi[3] sagt, „eine Art zusammenhängender Geschichte der Jaina-Kirche". Nun muss man, trotz allem was dagegen gesagt worden ist, daran festhalten, dass es die Inder mit verschwindenden Ausnahmen zu keiner wissenschaftlichen Behandlung der Geschichte gebracht haben, so hervorragend ihre Leistungen auf anderen Gebieten der Wissenschaft sind. Ihre Geschichtsbehandlung ist nicht über die Stufe des Epos und der Anekdote hinausgekommen. Das Sagenhafte überwuchert den historischen Kern. Das Geschichtliche verhält sich zum Sagenhaften in diesen Epen etwa ebenso, wie in unseren mittelalterlichen Epen und den islamitischen Erzählungswerken. Wenn also z.B. in VIII und IX auch die Verbindung Cāṇakyas mit den Maurya und die Entthronung des letzten Nanda zweifellos historisch sind, so können die Episoden keinen grösseren Anspruch auf geschichtlichen Wert machen, als etwa das, was im Nibelungen- und Walthari - Lied von Attila, in der Chanson de Roland von Karl dem Grossen, in Tausend und eine Nacht von Harun al Raschid erzählt wird. Vollends in einer Kirchengeschichte, in der der fromme Glaube eine hervorragende Rolle spielt, muss das Legendarische durchaus in den Vordergrund treten. War es doch selbst in Europa bis vor kurzem noch nicht besser damit bestellt; konnte doch noch Voltaire mit Recht schreiben: „Die Kirchengeschichte meines Vaterlandes gleicht derjenigen des Granus, des Bruders Neros und Agrippas, und ist noch um vieles wunderbarer. Da kommen von den Toten auferweckte Knäblein vor, Drachen, die in der Stola gefangen werden wie Karnikel in der Schlinge, Hostien, die bei einem von Judenhand beigebrachten Messerstich bluten, Heilige, die ihren Köpfen nachlaufen, wenn sie ihnen abgeschnitten worden sind. Eine der bestbeglaubigten Legenden in unserer deutschen Kirchengeschichte ist die des seligen Peter von Luxemburg, der nach seinem Tode in den beiden Jahren 1383 und 1389 zweitausendvierhundert Wunder, und in den folgenden genau dreitausend wirkte, unter denen immerhin nur zweiundvierzig auferweckte Tote genannt werden. Ich sehe mich in den anderen europäischen Staaten um, ob sie ebenso wunderbare und ebenso authentische Kirchengeschichten besitzen; und überall finde ich dieselbe Weisheit und dieselbe Sicherheit."[4]

     

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    [2] wörtlich: „Rest-Abschnitt", so genannt, weil es den Stoff des Triṣaṣṭiśalākāpuruṣacarita ergänzt.

    [3] In dem englisch geschriebenen Vorwort zu seiner Textausgabe S. 3.

    [4] Le philosophe ignorant, (Œuvre completes de Voltaire, Paris 1817, tome sixieme, p. 704.