Ṛishabhapañcāśikā (eine Sammlung von 50 Versen zum 1. der 24 Seher)

    Alexander Zeugin

    Ṛishabhapañcāśikā von Dhanapāla (eine Sammlung von 50 Versen zum 1. der 24 Seher) übers. Joh. Klatt ZdMG 33 (1879)

    (←… Vers 31 https://www.om-arham.org/blog/view/18759/%25E1%25B9%259Bishabhapancasika-eine-sammlung-von-50-versen-zum-1-der-24-seher)

    Ṛishabhapañcāśikā [32 von 50]

     

    32. Wie Schachfiguren werden die Wesen auf dem Schachbrett des Lebens, obwohl von den Sinnen fortgerissen (Nebensinn: von den Würfeln in Bewegung gesetzt), wenn sie dich (Nebensinn: das Feld) erblicken, nicht der Gefangenschaft, des Tötens und Sterbens teilhaftig.[1]

     

    [weiter … → Vers 33… https://www.om-arham.org/blog/view/18761/%25E1%25B9%259Bishabhapancasika-eine-sammlung-von-50-versen-zum-1-der-24-seher]


    [1] Komm.: Samsāra eva caturaṅgatvāt phalakas, tatra tvayi deva tattva-buddhyā dṛishṭe vadhādi-bhājino na (Cod. bhāṇinopi) bhavanti; api śabdasya bhinna-kramatvāt, akshair indriyair hriyamāṇā api kṛishyamāṇā api. Upamām āha: yathā śārayo 'kshaiḥ pāśakaiḥ śāri-krīḍā-phalake hriyamāṇāḥ saṃcāryamāṇāḥ bandha-vadha-mara-ṇāni kitava (Cod. kiṃtava)-pratītāni na bhajante pade dṛishṭe. 

    Es haben mithin zwei Wörter eine doppelte Bedeutung: 

    1) akkha Auge und Würfel (Würfelauge), ebenso wie in Govardhana's Saptaśatī v. 677 pātitāksha geworfenes Auge, d. h. geworfener Blick, und geworfener Würfel. 

    2) paīṃ, einmal Apabhraṅśa Lokativ sing. des Pronomens der 2. Person, das andre Mal ebenfalls Apabbraṅśa-Lokativ sing. von pada. Obwohl der Lokativ von pada nach Analogie der sonst in diesem Text vorkommenden Lokative pae oder payammi lauten müsste, so ist doch nicht daran zu zweifeln, dass païṃ = pade ist. Der Sinn verlangt, dass païṃ noch eine zweite Bedeutung ausser tvayi hat. Dem Kommentar zufolge ist die zweite Bedeutung pade, welches im Apabhraṅśa paï lautet, s. Hem. IV, 334, Lassen Inst. S. 462. Es kann nicht Wunder nehmen, dass der Autor diese Apabhraṅśa-Form einmischt, da er ja so häufig die Apabhraṅśa-Form paï oder païṃ für tvayi braucht. 

    Was nun die aksha betrifft, so muss man sich vergegenwärtigen, dass das altindische Schach mit Würfeln gespielt wurde, und zwar durch die Würfel bestimmt wurde, welche Figur zu ziehen habe. Wenn 5 geworfen wurde, rückte der König und ein Fusssoldat (Bauer), wenn 4, der Elephant (Turm), wenn 3, das Ross (Springer), wenn 2, der Nachen (ursprünglich wahrscheinlich Streitwagen, jetzt Läufer), s. v. d. Linde, Gesch. des Schachspiels, Bd. 1, erste Beilage. 

    Was ist aber mit dem Felde gemeint, auf welchem die Figuren nicht geschlagen werden dürfen? Soll man annehmen, dass es in dem altindischen Schach ein solches Feld gegeben hat, gleich dem ἂσνλον im altgriechischen Brettspiele? s. K. Himly, ZDMG xxvii, 127 not. Auf indischem Gebiet ist sonst Nichts der Art bekannt. Aber auf persischem Gebiet findet sich eine Analogie — Herr Himly war so freundlich mir dieses mitzuteilen — in dem Shaṭranj-i huṣūn, Schach mit Burgen, und in dem "grossen Schach" mit 112 Feldern. In diesen Schacharten haben die Bretter an 2 Ecken vorspringende Felder, Namens ḥiṣn Burg. Wenn es einem hart bedrängten König gelingt, in seine Burg zu kommen, so ist er vor allen Verfolgungen sicher, und die Partie bleibt unentschieden, s. Forbes hist, of chess S. 137 ff., Abbildung eines solchen Schachbretts S. 140. 

    Nun will ich aber nicht verschweigen, dass aus dem Vers allein (ohne den indischen Kommentar) nicht direkt hervorgeht, dass das Schachspiel gemeint ist. Da phalaka nur Brett im Allgemeinen und śāri auch den beim Würfelspiel gebrauchten Stein bedeutet, so könnte eben ein Würfelspiel gemeint sein nach Art unsres Puff, in welchem die Spielregel gilt: 

    sa-sahāyasya śārasya parair nākramyate padam | 

    asahāyas tu śāreṇa parakīyeṇa bādhyata iti dyūta-vyavahāraḥ || 

    "Des mit einem Gefährten versehenen Steines Feld wird von den Feinden nicht betreten, aber der, welcher keinen Gefährten hat, wird von dem feindlichen Stein beseitigt, so ist die Spielregel". (Aus Kaiyyata's Commentar zum Mahābhāshya, s. Goldstücker, Sansk. dict. sub ayānaya.) Die Stellung "which cannot be invaded by the chessmen of the adversary" führt den technischen Namen ayānaya (in unserm Puffspiel "ein Band"). Eine solche ayānaya-Stellung ist vielleicht hier gemeint. Ṛishabha wāre dann der zweite Stein, neben welchem der erste geschützt ist. 

    Indessen, scheint mir, hat man keine Veranlassung, eigene Vermutungen aufzustellen, da der auch sonst für seinen Text Verständnis zeigende Kommentar, der z. B. auch in diesem Vers die schwierige Form païṃ nach ihren beiden Bedeutungen richtig übersetzt, eine Erklärung gibt, die nicht widerlegt werden kann. Ich halte daher an der Erklärung des Kommentars fest, dass hier das Schachspiel gemeint sei. 

    Dann ist aber dieses die früheste Erwähnung des Schachspiels in der indischen Literatur. Nach v. d. Linde, Gesch. des Schachspiels I, 74 war bisher die früheste Erwähnung in einem Kommentar zu Piṅgala's Metrik, verfasst von Halāyudha, "der allem Anschein nach gegen Ende des 10. Jahrhunderts lebte". Nun beruht aber diese Angabe von Halāyudha's Zeitalter nur auf Vermutung. Dagegen steht für Dhanapāla, den Verfasser unseres Textes, die Jahreszahl 973 n. Chr. fest, s. o. S. 445.